25 August 2006 @ 10:44 am
SPN Fanfiction: Long Way Down, Long Way Home (12/16)  
Titel: Long Way Down, Long Way Home
Kapitel 12/16
Autorin: Steffi
Altersfreigabe: irgendetwas zwischen 12 und 16 Jahren.
Sonstiges: Gen Fanfic, Angst, keine Spoiler.
Klappentext: Was, wenn das Leben, das man kannte, auf einmal vorbei ist?
Disclaimer: The characters and places are not mine. This is non-profit fanfiction.



Kapitel 12


Sams Telefon klingelte an diesem Abend dreimal, und am nächsten Tag weitere vier Mal. Vermutlich war es Alice, die irgendwie davon Wind bekommen hatte, dass ihr zukünftiger fester Freund am Nachmittag wegen allgemeinem Unwohlseins und einer Panikattacke viel zu frühzeitig Feierabend gemacht hatte. Es war wahrscheinlich, dass June ihr davon erzählt hatte. Aber Alice tauchte nicht vor seiner Tür auf, und Sam ignorierte das Telefon.

Er lag zusammengekauert auf dem Bett, die Decke bis über den Kopf gezogen. Seine Hände umschlossen seine Knie, ihm war kalt. Das Fenster war einen Spalt offen, aber er konnte sich nicht dazu bewegen aufzustehen und es zu schließen.

Nach und nach kamen mehr Erinnerungen zurück, und er erschrak ein wenig als er feststellte, wie viele davon schmerzhaft waren. Sein Streit mit John; der halb verletzte, halb gekränkte Ausdruck in Deans Augen, als sein jüngerer Bruder nach Stanford ging. Der Tod von Jess. All die getöteten Menschen, die er in seinem Leben schon gesehen hatte, die ganzen Tragödien, die er aufgedeckt hatte. Menschen, die andere Menschen folterten und umbrachten, deren Opfer dadurch zu rastlosen Seelen wurden. Die Hinterbliebenen, die er ausfragen musste, um Kreaturen zu vernichten. Die Trauer, die ihm jedes Mal aufs Neue entgegen geschlagen war. Himmel, wie hatte er so lange damit leben können?

Er dachte an die vergangenen Wochen. An die freien Stunden, in denen er bloß gelesen hatte oder mit June und Mikey ins Kino gegangen war, die Abende im Pub. Er dachte an die Arbeit, an diese Wohnung hier, an Alice. Daran, dass dies für eine kurze Zeit alle seine Sorgen gewesen waren. Es ging ihm doch so gut hier. Es war das, was er sich in Stanford immer gewünscht hatte.

Das Telefon klingelte wieder, dieses mal länger, aber Sam hielt sich bloß die Ohren zu und biss die Zähne zusammen. Er hasste die Vorstellung, das alles hier aufgeben zu müssen. Es war nicht viel, aber für ihn bedeutete es ein Stück Normalität, nach der er sich seit seiner Kindheit sehnte.

Und was, wenn er es nicht aufgab? Was, wenn er weiter Tom blieb, und June erzählte, er hätte bloß einen Aussetzer gehabt? Was Falsches gegessen? Kreislaufprobleme gehabt?

Hatte er darauf kein Anrecht? War es nicht bloß fair, wenn er nach all den Jahren ein neues Leben anfing?

Dean war schon früher alleine klargekommen, er würde es wieder schaffen. Den Gedanken, dass Dean damals aber auch nicht in der Annahme gelebt hatte, sein kleiner Bruder sei tot, ignorierte Sam. Dean hatte ihm mal vorgeworfen, er sei selbstsüchtig, vielleicht stimmte das bis zu einem gewissen Grad. Er war nicht wie Dean, der das Wohl aller anderen über sein eigenes stellte.

Wenn Sam Dean ausfindig machte, dann würde er zwangsläufig wieder in das alte Leben zurückfallen. Dean würde ihn überreden, zu bleiben, ihm vermutlich Schuldgefühle einreden. Das hatte er schon früher geschafft.

Wenn er sich doch bloß nie erinnert hätte.

Er blieb liegen, bis es morgen wurde. Der Tag vorbei ging. Es wieder Nacht wurde und der nächste Morgen kam. Ein paar Mal verlangte die Natur ihren Tribut. Zweimal stand er auf, einmal um sich eine Flasche Cola und einmal, um sich eine Tüte M&Ms aus dem Schrank zu holen. Er kaute lustlos auf der Schokolade herum, er war nicht wirklich hungrig. Um vier Uhr morgens war Sam fest entschlossen, weiter unter seinem neuen Namen zu leben. Eine Stunde später beschloss er, Dean doch zu suchen. Um sechs entschied er sich noch einmal um. Als er um sieben Uhr aufstand, hatte er keine Ahnung, was er tun würde.

Mechanisch machte er sich fertig. Duschen, Zähneputzen, einen Kaffee trinken, anziehen, kämmen, Tasche packen. Schuhe anziehen, Fenster schließen. Als er endlich auf dem Bürgersteig stand konnte er sich nicht daran erinnern, wie er dahin gekommen war. Aber Probleme mit seinem Erinnerungsvermögen waren ja nichts Neues.

Er lief los, Gänsehaut im Nacken, ständig in der Erwartung, Dean zu sehen. Ein schwarzes Auto bog um die Ecke und er zuckte zusammen, aber es war kein Impala, sondern irgendeine andere Automarke. Sein Gesicht spiegelte sich in den Scheiben, als das Auto ihn passierte, dunkle Ringe lagen um seine Augen. Seine Haare standen, trotz des Kämmens, wirr in alle Richtungen ab. Überhaupt sah er aus, als hätte er die ganze Nacht kein Auge zugetan. Was ja auch stimmte.

Er erreichte den Plattenladen fast zehn Minuten zu früh. Chris war noch nicht da, und Mikey wuselte irgendwo bei den CD Regalen rum und begrüßte Sam mit einem Kopfnicken, als dieser rein kam.

„Morgen, Tom.“ Sagte er.

„Morgen.“ sagte Sam, ging zum Tresen, zog seine Jacke aus und legte sie über die Lehne des Stuhls. Sein Blick wanderte an den Postern vorbei, die an der Wand hingen, ein komisches Gefühl machte sich in der Magengegend breit, und dann blieb sein Blick an der Videokamera hängen. Sam biss sich auf die Unterlippe und wandte die Augen ab, verdammt, konnte er sich denn gar nicht zusammen reißen?

Zwei Minuten später schaute er sich noch einmal das Video an.

Dean. Unverkennbar Dean, auch wenn er sich verändert hatte. Das Gesicht schmaler, das Kinn spitzer, dunkle Schatten um die Augen. Sein Bruder sah anders aus als er ihn in Erinnerung hatte, entschied Sam, aber was genau es war konnte er nicht sagen. Die Art wie er ging vielleicht, oder wie er hoch zur Kamera schaute und von dem alten Stolz und der gewissen Sorglosigkeit, die ihn immer umgeben hatte, nichts mehr da war.

Sams Herz zog sich ein wenig zusammen, er stellte das Video aus. Dean würde klarkommen. Dean hatte vermutlich nur einen schlechten Tag gehabt. Er war Dean. Nichts konnte Dean etwas anhaben.

Sam wusste, dass es eine Lüge war.

Er bemerkte nicht einmal, dass Chris in den Laden kam, so versunken war er in seine Gedanken. Als Chris ihn ansprach schreckte Sam hoch, und der Stift, auf dem er rumgekaut hatte, fiel ihm aus dem Mund.

„Geht es dir wieder besser?“ fragte Chris.

Sam nickte, die Frage hallte dumpf in seinem Kopf, als wäre sie weit, weit weg. Chris nickte ebenfalls, die Antwort reichte ihm, er ging an Sam vorbei und hatte gerade sein Büro erreicht, als Sam sich umdrehte und rief. „Warte!“

Chis blieb stehen. „Was ist los?“

Sam setzte zum Sprechen an, stockte aber. Er versuchte es noch einmal, doch wieder konnte er keinen Laut hervorbringen. Erst als Chris sich achselzuckend wieder umdrehte schaffte er es: „Ich weiß wieder, wer ich bin.“

Und damit waren die Würfel gefallen. Er würde Dean suchen und finden, und wieder mit ihm jagen, es gab kein zurück mehr. Sein neues Leben hier zog förmlich an ihm vorbei und Sam winkte zum Abschied.

Chris erstarrte förmlich. „Sag das noch mal.“

„Ich weiß wieder wer ich bin.“ wiederholte Sam den Satz. Er versuchte sich zu entscheiden, ob er Chris’ Anblick amüsant oder erschreckend fand und kam zu keiner Antwort.

„Und? Wer bist du?“

„Sam.“ Er machte eine Pause bevor er hinzufügte. „Winchester.“

Chris’ Kinn fiel eine Etage nach unten, und sein Gesicht verlor merklich an Farbe. „Winchester?“ wiederholte er, und sein Ton hatte verblüffende Ähnlichkeit mit einem Papagei.

„Ja.“ sagte Sam. Er versuchte zu kalkulieren, ob er Chris wohl die ganze Wahrheit sagen konnte, und entschied sich dafür. „Dean ist mein Bruder. Er denkt vermutlich, ich bin tot.“

Das Haus. Das Feuer. Auch das kam jetzt zu ihm zurück, er war gerannt, seine Kleidung hatte gebrannt und dann war er gefallen. Das Mädchen, sie hatte ihm geholfen. Sam blinzelte und schüttelte den Kopf, nicht jetzt.

„Willst du mich auf den Arm nehmen?“

„Nein.“ Sam senkte den Kopf ein wenig, nein, leider war das nicht seine Absicht. Er erzählte Chris von Deans Stimme, dass er sie erkannt hatte. Schließlich, nach einiger Überzeugungsarbeit, glaubte Chris ihm.

„Ich muss ihn finden. Ich mache mir Sorgen um ihn.“ sagte Sam, und Chris nickte.

„Das solltest du. Er sah nicht gut aus - ich hab versucht herauszufinden, was ihm so zu schaffen macht, aber er wollte nicht mit der Sprache herausrücken.“

Sam zog die Augenbrauen ein wenig hoch, ja, das kannte er. Dean hätte sich vermutlich eher vierteilen lassen als zuzugeben, dass es ihm nicht gut ging. Immerhin war er Dean.

„Verfluchter Mist.“ brummte Sam. „Dieser Idiot.“

Ein Schweigen der gegenseitigen Zustimmung entstand, und Sam schloss daraus, dass Chris Dean ziemlich gut kennen musste. So gut, wie man Dean eben kennen konnte.

„Ich werde mir ein Auto kaufen.“ Warum Sam Chris an dieser äußerst wichtigen Information teilhaben ließ, konnte er sich selber nicht ganz erklären. Wahrscheinlich, weil es mehr als das bedeutete. Er würde hier verschwinden und vermutlich nie wieder zurückkehren. Geld hatte er in den vergangenen Monaten gespart, es sollte für ein billiges Auto reichen. Dann kam ihm ein anderer Gedanke.

„Hast du Deans Telefonnummer? Können wir ihn anrufen?“

„Wir können es versuchen. Komm mit.“

Sam folgte Chris in sein Büro, und schloss die Tür. Aus einem Zettelsammelsurium, das quer verstreut über den Schreibtisch verteilt war, griff Chris mit erstaunlicher Zielsicherheit nach einem kleinen Stück Papier, auf dem Deans Name und eine Telefonnummer stand. Der Mann nahm den Telefonhörer in die Hand und wählte. Sams Herz klopfte laut und eine Spur zu schnell.

Es tutete, und dann sagte eine elektronische Stimme, dass die Nummer nicht erreichbar sei. Chris legte auf und Sam atmete aus, er hatte nicht bemerkt, dass er die ganze Zeit die Luft angehalten hatte.

„Er muss wohl ein neues Handy haben. Aber die Nummer hat er mir nicht gegeben. Tut mir leid, Tom … äh, Sam.“

„Ist schon okay.“ Sam steckte die Hände in die Hosentaschen, und stellte sich Dean vor, wie er hier saß – fast war es, als sei sein Bruder noch hier, als hänge etwas von ihm nach. Warum, warum war er gestern nicht früher zur Arbeit gekommen? Dann hätte er Dean im Rausgehen gesehen, oder besser, Dean hätte ihn gesehen.

„Ich werde ihn suchen.“ Sam hatte den Blick abgewandt, als rede er mehr mit sich selber. „Ich werde mich durchfragen, ein schwarzer Chevy Impala, die Dinger sind selten…und auffällig.“

„Hier.“ sagte Chris, und streckte Sam ein Bündel mit Dollarscheinen entgegen. Sam schreckte ein wenig hoch, starrte erst auf das Geld und dann auf Chris, Unverständnis lag in seinen Augen. Er runzelte die Stirn. Chris wedelte auffordernd mit dem Geld umher.

„Nun nimm schon, Sam. Das Geld hat Dean mir gestern gegeben, er hat davon was gekauft – aber du kannst das jetzt besser gebrauchen als ich.“

„Chris…“ begann Sam, doch der andere Mann schnitt ihm das Wort ab.

„Finde ihn einfach, Sam.“

Zögernd nahm Sam das Geld an, und steckte es in die Hosentasche. „Danke.“

***

Manchmal war es doch eine gute Sache, dass er noch nicht so viele Habseligkeiten besaß, denn sie waren schnell zusammen gesucht. Er besorgte sich eine weitere Tasche und schmiss seine Kleidung, Bücher und CDs mehr hinein als dass er sie sorgfältig packte. Unten vor der Tür stand der alte Volvo, den er sich vor zwei Stunden gekauft hatte. Dunkelgrün, ein paar Jahre auf dem Buckel, aber er fuhr, und das war das Wichtigste.

Er rollte die Decke zusammen, die er sich gekauft hatte und stieß beim Umdrehen das Telefon vom Nachttisch. Das Telefon – Alice kam ihm in den Sinn. Er mochte sie, mochte sie wirklich. Er wäre gerne hier geblieben und hätte weiter für sie Tom Beretta gespielt, es hätte ihm nichts ausgemacht, wenn sie nie seinen wahren Namen erfahren hätte. Aber jetzt stand zu viel auf dem Spiel. Er schuldete es Dean.

Als Sam fertig war sah die Wohnung aus, wie er sie bekommen hatte. Leer, kahl, ein wenig verkommen. Die Tapete war immer noch nicht schöner, aber in den vergangenen Wochen hatte er sich daran gewöhnt und sie lieb gewonnen, jetzt tat es ihm fast leid, dass er sie nicht wieder sehen würde. Ein letztes Mal sah er sich um, „Auf Wiedersehen.“ sagte er, bevor er sich sein Gepäck schnappte und die Tür von außen verschloss. Den Schlüssel warf er in Susans Briefkasten, zusammen mit einem kurzen Brief.

Die beiden Taschen wurden im Kofferraum verstaut, er ging, ohne sich von seinen Freunden zu verabschieden. Mikey und June würden schon mitkriegen, dass er nicht mehr da war. Chris wusste es ja.

Er setzte sich hinters Steuer und startete den Motor, er sprang blubbernd an. Sam sah in den Rückspiegel und trat aufs Gaspedal. Hinter ihm wurde die Stadt immer kleiner, und bald hatte er sie hinter sich gelassen.
 
 
Current Music: Stairway To Heaven - Led Zeppelin
 
 
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[identity profile] spilled-coffee.livejournal.com on June 25th, 2007 01:32 pm (UTC)
Gott sei Dank geht er Dean suchen. Wäre ja auch noch schöner wenn nicht. Und dass er sich einen Volvo gekauft hat, das ist so... vernünftig....
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One Evil Muffin[identity profile] legoline.livejournal.com on June 25th, 2007 01:34 pm (UTC)
:-)
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