legoline: (Supernatural - Sam Faith)
legoline ([personal profile] legoline) wrote2006-08-23 09:18 am

SPN Fanfiction: Long Way Down, Long Way Home (9/16)

Titel: Long Way Down, Long Way Home
Kapitel 9/16
Autorin: Steffi
Altersfreigabe: irgendetwas zwischen 12 und 16 Jahren.
Sonstiges: Gen Fanfic, Angst, keine Spoiler.
Klappentext: Was, wenn das Leben, das man kannte, auf einmal vorbei ist?
Disclaimer: The characters and places are not mine. This is non-profit fanfiction.



Kapitel 9


Nachdem Tom ein paar Wochen in dem Plattenladen gearbeitet hatte, hatte er Folgendes festgestellt:

Erstens: Der Feierabend im Pub war ein Ereignis, das täglich stattfand. In jeweils anderer Besetzung; es kam darauf an, wer an dem Tag Schicht gehabt hatte. Nicht selten gesellte sich Tom aber auch dazu, wenn er an dem betreffenden Tag frei gehabt hatte. Er fühlte sich in der Gesellschaft der anderen angenehm aufgehoben, war sich ziemlich sicher, dass June, Mikey und Chris ihn mochten und fand es war auf jeden Fall eine bessere Alternative, als in seinem Zimmer rumzuhocken und auf den nächsten Tag zu warten. Mittlerweile hatte er zwar einen Fernseher – den er Chris billig gebraucht abgekauft hatte – und ein paar Bücher mehr, aber er kam sich schnell einsam vor. Es machte ihn wahnsinnig, in seinen vier Wänden zu sitzen und stundenlang nachzudenken, bis er Kopfschmerzen bekam.

Zweitens: Er mochte keine Rockmusik, zumindest den alten Hardrock nicht. AC/DC waren ihm zuwider, und er fragte sich, wieso sich jemand ernsthaft diese Musik antat. Hatte das was mit Selbstgeißelung zu tun? Als Buße für begangene Sünden?

Und was die ganze Sache unheimlich machte - trotz seiner Abneigung fühlte er sich am Wohlsten, wenn irgendeine Metallica oder Led Zeppelin CD im Radio lief. Oft ertappte er sich dabei, wie er die Lieder leise mitsang und es noch nicht einmal bemerkte. Er kannte die Texte von Liedern, die er noch nie zuvor gehört hatte, zumindest seit dem Unfall nicht. Einmal, als im Radio „Some Kind Of Monster“ von Metallica lief brach Tom unvermittelt in schallendes Gelächter aus, aber er konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum. Ein anderes Mal sortierte er CDs und stieß bei „B“ auf die Alben vom Blue Oyster Cult und hörte plötzlich wieder die Stimme aus seinen Träumen. Der Impala tauchte für einen Moment vor seinem geistigen Auge auf. Die CDs, die er noch so eben in der Hand gehalten hatte fielen zu Boden als sein Herz zu rasen anfing, und seine Hände suchten verzweifelt an dem CD Regal Halt, weil seine Beine gefährlich schwankten.

Drittens: Langsam bekam er eine Ahnung davon, wer er war, oder zumindest davon, was er mochte, was ihn interessierte, und was er nicht ausstehen konnte. Vielleicht war das zum großen Teil June und Mikey zu verdanken, die ihres Zeichens beide kleine Exzentriker und sich ihrer Identität durchaus bewusst waren. June forderte Tom zu endlosen Diskussionen heraus, die Tom dazu zwangen, sich eine Meinung zu bilden. Dinge zu verteidigen die er mochte, Dinge in Frage zu stellen, die June mochte. Sie brachte ihn dazu, auszutesten was ihm gefiel und was nicht.

Mikey war eher ein stiller Zuhörer, doch auch er stellte Fragen und wollte Toms Meinung wissen, die Tom sich erst bilden musste. Und nach einiger Zeit hatte Tom schließlich eine gewisse Vorstellung davon, wen er jeden Morgen im Spiegel anblickte.

Er hatte sich dazu entschieden, seine Haare nicht zu scheiteln, es passte besser zu dem Laden, in dem er arbeitete, aber er fühlte sich auch wohler so. Er mochte definitiv keine gelb gesteiften Hemden. Er mochte Bücher und konnte an seinen freien Tagen Stunden damit verbringen, in dem nahe gelegenem Park zu lesen. Er schien außerdem nicht komplett unansehnlich zu sein, ständig flirteten im Laden irgendwelche Mädchen mit ihm. Das schmeichelte ihm zwar, aber er blockte Annäherungsversuche grundsätzlich ab. Er hatte schon so genug Probleme, das Letzte was er brauchte, war eine feste Freundin. Und irgendwie fand er es den Mädchen gegenüber auch unfair – wenn er schon nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte, dann konnte er das von den Mädchen erst recht nicht verlangen.

***

Und dann, eines Tages, brachte June nach Feierabend ihre Freundin Alice mit in den Pub.

„Das ist Alice.“ stellte June ihre Freundin vor, und sah ihn die Runde.

„Alice, who the fuck is Alice?“ sagte Chris, und zuckte entschuldigend die Schultern, als June ihm einen vernichtenden Blick zuwarf. Alice nahm Platz, und begann zu erzählen als gehöre sie schon seit Ewigkeiten der Gruppe an. Sie berichtete von ihrem Tag, von ihrem Leben, von allem eigentlich – Schüchternheit schien nicht zu einer ihrer Charaktereigenschaften zu gehören. Tom hörte allerdings gar nicht wirklich hin; er war viel zu sehr damit beschäftigt, in der dunkelsten, hintersten Ecke der Eckbank zu verweilen, und sie durch seine Bierflasche hinweg anzustarren.

Alice war klein und zierlich, ‚drahtig’ hätte es vielleicht getroffen. Sie hatte kurze, braune Haare und ein Gesicht, das Tom einfach bloß hübsch fand, er konnte noch nicht mal genau sagen, warum. Irgendwie sah sie genau so aus, wie er sich eine Collegestudentin vorstellte. Dann fiel ihm auf, dass er in den vergangenen Monaten weder ans College noch an Studentinnen gedacht hatte.

„Hm.“ Machte er leise, dann bemerkte er, dass es am Tisch still geworden war und ihn alle erwartungsvoll anschauten.
„Was ist?“ fragte er und spürte, dass er rot wurde. Er kam sich vor wie ein Chamäleon, das ständig die Farbe wechselte.

„Eigentlich wollte ich bloß wissen, ob du ab und zu auch redest.“ Es war Alice, die ihn fragte. Nein, schüchtern war sie wirklich nicht.

„Manchmal.“ Erwiderte Tom kurz. Seine Finger spielten mit dem Etikett der Bierflasche. Er versuchte es abzuziehen, aber es klappte nicht.

Die Antwort schien Alice zu reichen, und sie wandte sich wieder June und Chris zu. Tom vermutete stark, dass sie ihn offiziell als Langweiler eingestuft hatte und in diesem Leben nicht mehr mit ihm reden würde. Was wahrscheinlich auch besser war, schließlich hatte Tom nicht besonders viel zu erzählen. Oh Himmel, war er dann nicht ein Langweiler? Er musste in seinem vorigen Leben ein absoluter Streber gewesen sein. Vielleicht trug er ja auch eigentlich ein Brille und Hosen wie Steve Urkle. Obwohl sich das nicht ganz mit der Brandstiftung vertrug. Ein Streber brach nie das Gesetz – oder doch?

Für den Rest des Abends saß er schweigend daneben und nickt bloß ab und zu, wenn June versuchte, ihn in ein Gespräch mit einzubeziehen. Er ging früh, und machte danach noch einen Abstecher in den Park. Es war dunkel, die Straßen fast ausgestorben, aber seltsamerweise hatte er keine Angst. Im Gegenteil, im Tageslicht und in der Gesellschaft von Menschen fühlte er sich nicht so sicher wie in der Einsamkeit und Stille der Nacht. Fast, als wäre er in der Dunkelheit groß geworden.

Darum kam es ihm auch nicht seltsam vor, dass er sich mitten in der Nacht in dem Park noch auf eine Bank setzte und nachdachte. Irgendetwas sagte ihm, dass er nicht in Gefahr war. Sich nicht zu fürchten brauchte. Und das er sich im Zweifelsfall zu verteidigen wusste. Die Luft war angenehm kühl und seidig, wie ein Stück kostbarer Stoff, der ihn einhüllte. Die Blätter der Bäume rauschten im Wind, man hätte fast meinen können, am Meer zu sein. Die Stille tat gut – so gerne er sich auch mit seinen Kollegen traf, in dem Pub war es immer laut und nach Stunden des gegenseitig Anschreiens und angestrengt Zuhörens war er froh, wenn er seinen Ohren und Stimmbändern eine Pause gönnen konnte.

Hier draußen machte alles Sinn. Hier war es vollkommen egal, wer er war und woher er kam, oder wohin er gehen und was er tun würde. Für ein paar Sekunden stand die Welt still und die Fragen und Probleme rückten in weite Ferne, wurden so klein, dass sie bedeutungslos erschienen. So musste der Frieden sein. So musste es sich im Nirwana anfühlen.

Plötzlich raschelte etwas im Gebüsch hinter der Bank, und Toms Hand schoss instinktiv in die Tasche, die er neben sich abgelegt hatte, griff ins Leere, und er stockte für eine Sekunde, was zum Geier tat er hier? Nach was hatte er gesucht? „Waffen“ war das erste, was ihm in den Sinn kam. Selbstverständlicherweise. Oder nicht so selbstverständlich. In dem Busch raschelte es wieder und Toms Nackenhaare stellten sich auf als sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte. Sich vorbereitete, automatisch, als wäre er darauf trainiert worden.

Tom sprang im selben Moment auf, in dem der Mann, mit einem Messer bewaffnet, aus dem Gebüsch hervortrat. Noch bevor der Angreifer wusste, wie ihm geschah, hatte Tom das Messer mit einem gezielten Tritt aus der Hand des Räubers zu Boden geschleudert. Er packte den Arm des Mannes, drehte sich ein, so dass er mit dem Rücken zu dem Dieb stand, verlagerte das Gewicht und zog den Angreifer über die Schulter. Der Mann landete hart auf dem Rücken und blieb hustend liegen. Die ganze Aktion dauerte nur ein paar Sekunden.

Tom stand über dem Angreifer, und versuchte zu begreifen, was passiert war. Es war alles so schnell gegangen. In einem Moment hatte er noch auf der Bank gesessen und im nächsten todesmutig (oder routiniert) einen Angreifer abgewehrt und mittels Karate, von dem er nicht mal wusste, dass er es beherrschte, zu Boden geworfen. Der Mann, den Tom zu Fall gebracht hatte, hustete erneut, aber er bewegte sich nicht, vielleicht hielt er Tom ebenfalls für einen Kriminellen und wartete darauf, dass er ihm die Kehle durchschneiden würde.

Tom aber hatte das definitiv nicht vor. Stattdessen starrte er auf die Figur am Boden, die er so mühelos bekämpft hatte, er begann zu zittern – und dann rannte er weg. Die Bäume, die Wiese und dann die Straße, die geschlossenen Geschäfte zogen an ihm vorbei, er bemerkte es nicht. Das Treppenhaus hoch, er schloss auf, der Schlüssel fiel ihm aus der Hand, er hob ihn auf, stürmte in die Wohnung, verriegelte die Tür und lief ins Badezimmer, wo er sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. Sein Körper zitterte, eine Stimme in seinem Kopf sagte: “Damit sie dich nie überraschen können.“. Es war eine andere Stimme als die aus seinen Erinnerungsbruchstücken, tiefer und älter irgendwie, etwas, dass Tom automatisch seinem Vater zuordnete. Der Gedanke warf ihn beinah um, „Ich habe einen Vater“ und dann „Warum sucht er mich nicht?“

Er drehte den Wasserhahn zu, die Hände trocknete er sich nicht ab. Er stolperte hinüber zu seinem Bett, setzte sich darauf, zog die Knie an und schlang die Arme darum, ihm war kalt. Immer noch durchfuhr ab und zu ein Zittern seinen Körper, Himmel – wer zum Teufel war er? Je mehr er über sich erfuhr, desto verunsicherter, erschrockener wurde er.

Zusammenfassend: er beherrschte Kampfsport und hatte ohne jegliches Zeichen von Angst einen bewaffneten Räuber innerhalb von Sekunden überwältigt. Jemand, vermutlich sein Vater hatte ihm das beigebracht, damit „sie“ ihn nicht überraschen konnten. Wer war „sie“? Menschen? Tiere? Beides? Er mochte Rockmusik nicht, konnte aber mehr Liedertexte auswendig als ihm lieb war. Er zuckte unwillkürlich zusammen, sobald er jemand in einem Metallica T-Shirt sah. Er war potentiell verrückt. Er hatte vermutlich ein Haus angezündet, seine Familie wollte ihn nicht sehen, und er besaß keine Papiere. Ergab das irgendeinen Sinn? Am besten einen Sinn, der ihn nicht zu einem vorbestraften Kleinkriminellen machte?

Tom wollte keiner einfallen.


***

„Hey „ sagte June und stellte sich erwartungsvoll vor den Tisch mit der Kasse.

„Hey.“ Erwiderte Tom ohne aufzusehen. Er kratzte sich am Hinterkopf, während er am Ende eines Kugelschreibers herumkaute und überlegte, welche CDs sie nachbestellen mussten.

„Du bist gestern früh nach Hause gegangen.“ June trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte.

„Hab mich nicht wohl gefühlt. Kopfschmerzen.“ Tom fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Gestern Abend. Und er hatte sich solche Mühe gegeben, nicht daran zu denken.

„Schade.“ fuhr June unbeirrt fort. „Alice hat nach dir gefragt.“ fügte sie dann hinzu, als ihr Gegenüber keine Reaktion zeigte. Tom erstarrte ein wenig, und zum ersten Mal sah er auf.

„Sie hat was?“

„Nach dir gefragt.“ June wartete einen Moment, und seufzte laut, als Tom sie weiterhin verständnislos anstarrte. „Na du weißt schon. Sie wollte wissen, ob du eine Freundin hast. Und wo du herkommst.“

„Das wüsste ich selber gerne. Lass es mich wissen, wenn du die Antwort raus findest.“

„Das hab ich ihr auch gesagt. Dass du es selber nicht weißt.“ Sie machte eine Pause. „Alice fand dich nett.“

„Ich hab doch gar nicht mit ihr geredet.“ Tom runzelte die Stirn.

„Sag mal Tom,“ June klang plötzlich ziemlich genervt, wie jemand, der nach endlosen Versuchen schließlich die Geduld verliert, „willst du oder kannst du mich nicht verstehen? Sie interessiert sich für dich. Auf eine ‚der ist aber ziemlich süß’ Art. Sie will dich gerne wieder sehen.“

Tom fiel der Stift aus dem Mund und er schaute June an als hätte sie ihm soeben erklärt, Geister gäbe es wirklich.

„Sie will mich wieder sehen?“

„Bist du ein Papagei? Ja, will sie. Schau nicht so geschockt drein. Möchtest du sie denn wieder sehen?“

„Hast du ihr – meine Situation erklärt?“ fragte Tom vorsichtig.

„Habe ich. Auch das konnte sie nicht abschrecken.“ Sie holte ein Stück Papier aus ihrer Tasche und legte es auf den Tisch. „Hier ist ihre Telefonnummer. Ruf sie einfach an, okay? Sie ist wirklich nett, und wenn’s nichts wird, Freunde kann man immer gebrauchen, vor allem du.“

June klopfte Tom aufmunternd auf den Handrücken, und verschwand dann im Lager. Tom nahm den Zettel in die Hand und betrachtete ihn zweifelnd. In seinem Kopf spielten sich alle möglichen Szenarien durch, von Heirat bis gebrochenem Herzen war alles dabei. Vielleicht war es klüger nicht anzurufen, sie würde ihn bestimmt nicht mögen. Nicht, wenn sie von seiner potentiellen Vorgeschichte erfuhr.

Auf der anderen Seite war es bloß eine potentielle Vorgeschichte. Sie brauchte davon nicht zu erfahren, schließlich lebte er hier ein neues Leben. Wenn er wollte, konnte er sein altes einfach hinter sich lassen. Was hatte er schon groß zu verlieren?

Er nahm das Telefon und wählte ihre Nummer.




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